Trauer-Weg-Blog
Meine persönliche Reise zurück ins Leben
Loslassen - Ein einfaches Wort und doch so schwierig in der Umsetzung.
Ich war noch nie wirklich gut im Loslassen, denn ich hatte es schon als Kind gehasst mein Zimmer auszumisten. Ich finde es schwierig, liebgewonnene Dinge, Routinen und Menschen loszulassen, Platz zu machen und so Raum für Neues zu schaffen. Und deshalb fällt es mir manchmal immer noch schwer, mein geplantes Leben aufzugeben, jenes Leben, dass ich mir gemeinsam mit Vadim erträumt hatte. Es tauchen immer wieder Momente auf, in denen ich dieses geplante Leben festzuhalten versuche, weil irgendein Teil in mir hofft, Vadim damit zurückholen zu können – doch das wird nie passieren.
Im hohen Norden hat der Herbst bereits Anfang September Einzug gehalten. Ich befinde mich seit Wochen in einem Farbenmeer; gelb, orange, rot, gold und alle Schattierungen dazwischen. Es wirkt, als ob die Natur eine riesige Party zum Dank für den prächtigen Sommer feiern möchte. Auch ich habe unzählige Gründe dankbar zu sein, denn in den vergangenen drei Monate durfte ich wunderschöne Momente mit liebgewonnen Menschen und spektakuläre Augenblicke in der atemberaubenden Natur erleben. Doch auch diese Momente kann ich nicht festhalten, ich kann sie nur in meinem Herz in Erinnerung behalten. Und wieder fällt es mir schwer loszulassen.
Der Natur hingegen scheint das Loslassen leicht zu fallen, denn im herbstlichen Wald liegen schon unzählige Blätter auf dem Boden. Sie durchläuft diesen Prozess völlig unbekümmert und ist vollkommen im Vertrauen, dass im nächsten Frühling wieder Knospen wachsen werden. Mich fasziniert es, mit welcher Leichtigkeit sich die Natur diesem Wechsel der Jahreszeiten hingibt. Wie sehr wünsche ich mir eine solche Hingabe für meinen eigenen Trauerprozess und damit auch für meine Neuausrichtung. So wird die Natur zu meinem Vorbild, denn in den letzten Monaten habe ich unzählige Stunden draussen verbracht und neugierig Flora und Fauna beobachtet. Meine endlosen Spaziergänge durch Wald und Wiesen waren seit Vadims Tod meine Energietankstelle. Jetzt wird mir bewusst, dass ich draussen nicht nur neue Kraft tanken, sondern auch so vieles für mich, mein Leben und meinen Loslass-Prozess lernen kann.
Momentan ist das Loslassen immer noch ein Kampf. Es ist anstrengend, kräfteraubend und deprimierend. Eigentlich will ich loslassen und neu beginnen, doch je mehr ich es versuche, desto mehr halte ich fest.
Im herbstlichen Wald zeigt mir die Natur eindrücklich, dass manchmal zuerst etwas enden und losgelassen werden muss, bevor es weitergehen kann. Wenn die Bäume ihre Blätter behalten würden, gäbe es im nächsten Frühling keine neuen Blüten und Knospen, weil dafür gar keinen Platz wäre. Warum also tue ich mich so schwer damit, diesen natürlichen Wechsel, den mir die Natur mit den Jahreszeiten so eindrücklich vorlebt, zuzulassen?
Und wieder komme ich an den Punkt, an dem ich realisiere, dass mich die Frage nach dem "Warum?" nicht weiterbringt. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was ich von der Natur lernen kann. Wie kann ich mich beispielsweise auf den Wechsel der Jahreszeiten in meinem Leben einlassen und mir die Veränderung erlauben? Wie kann mich voller Vertrauen einer Phase des Nichts hingeben, denn die Natur kennt ja mit dem Winter auch eine Phase der Ruhe? Oder wie kann ich es mir erlauben, all jene Ideen, Vorstellungen und Werte loszulassen, die nicht mehr zu mir passen?
Meine Zeit in Schweden endet in wenigen Tagen und gleichzeitig beginnt für mich ein neues Abenteuer auf Teneriffa. Wieder einmal darf ich mich im Loslassen üben - die liebgewonnenen Menschen, die wunderschöne Umgebung, meine aktuelle Komfortzone.
Doch dieses Mal nehme ich die oben genannten Fragen bewusst mit in den Prozess und suche in meiner Innenwelt nach Antworten. Klar, es ist herausfordernd mich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, doch die darausgewonnenen Erkenntnisse stecken voller Magie. Und so bin ich gespannt, wohin mich die Antworten aus meinem Inneren führen werden.
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