Trauer-Weg-Blog

Meine persönliche Reise zurück ins Leben

Licht und Schatten

Wir leben in einer Welt der Gegensätze. Alles hat sein Gegenteil. Es gibt hell und dunkel, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Licht und Schatten, Freude und Trauer.
Diese Dualität darf ich momentan sehr stark erleben, denn meine Erfahrungen in Schwedisch Lappland und auf Teneriffa könnten gegensätzlicher nicht sein. Die beiden Orte sind nicht nur landschaftlich völlig unterschiedlich, sondern auch meine Gefühlswelt und die Herausforderungen, die sich mir stellen, sind grundverschieden.

Montana Amarilla bei Sonnenaufgang

In Schweden ging es für mich um die Lichtarbeit. Ich durfte meine Leichtigkeit, Lebendigkeit und Lebensfreude zurückerobern. Gemeinsam mit den beiden Kindern der Huskyfarm konnte ich meine spielerische Seite wiederentdecken. So wie ich früher mit Vadim lachen, tiefe Gespräche führen, herumalbern und spannende Ausflüge machen konnte, traf ich in Lappland Menschen, die genau diese Dinge mit mir teilten. Durch all diese Erfahrungen fühlte ich mich Tag für Tag lebendiger und so half mir mein Aufenthalt in Schweden mich ein Stück weit wieder in mein eigenes Leben zu verlieben.

Doch diese Lichtarbeit ist nur die eine Seite der Medaille, denn ohne Schattenarbeit werde ich unbewusst von meinen alten Verletzungen gesteuert. Damit ich mir ein selbstbestimmtes Leben aufbauen kann, darf ich mich auch mit meinen Schatten auseinandersetzen und so meine Verletzungen heilen. Dieser Prozess durchlebe ich auf Teneriffa und die Landschaft hier könnte nicht passender sein. Die Insel besteht aus 321 Vulkanen. So ist die Gegend häufig von schwarz-grauen Lavafeldern und erdig-braunen Vulkankegeln geprägt. Daneben gibt es karge Wüstenlandschaften, aber auch Wälder voller Dickicht. Wenn bei mir wieder einmal die Trauer unerwartet hochkommt, fühlt es sich so an, als ob ich in einem Dschungel stehen würde, der so dicht bewachsen ist, dass kein Licht durchkommt. Doch zum Glück werden die Abstände zwischen diesen akuten Trauermomenten immer länger und die Heftigkeit der Trauerwellen nimmt stetig ab. Die Zeit dazwischen nutze ich für die aktive Auseinandersetzung mit meiner Trauer und um für mich zu entscheiden, wie mein Leben weitergehen könnte. Durch diesen Prozess wurde mir in den letzten Wochen unter anderem klar, dass ich meinen Traum einer eigenen Familie zwar gezwungenermassen in die Zukunft verschieben muss, aber dass ich ihn weiterträumen möchte. Mit dieser Erkenntnis entstanden ganz viele neue Zweifel und Ängste; «Darf ich wieder glücklich sein?», «Darf ich meinen Wunsch nach einer eigenen Familie weiterleben, auch wenn das mein gemeinsamer Traum mit Vadim war?» «Bin ich noch liebenswert, oder ist mein Päckchen mit dem Himmelsfreund zu schwer für eine neue Beziehung?»
Diese Fragen lösen bei mir die unterschiedlichsten Gefühle aus, die gesehen und gefühlt werden möchten. Sie triggern beispielsweise mein schlechtes Gewissen gegenüber Vadim. Gleichzeitig lösen sie auch Wut auf Vadim aus, weil er mich allein gelassen hat und ich mich nur wegen seinem Tod mit solchen Gedanken herumschlagen muss. Deshalb wache ich an manchen Tagen auf und hoffe immer noch, dass alles nur ein Alptraum war. Im Gegensatz dazu packt mich an anderen Tagen die Abenteuerlust und die Freude daran, mir ein völlig neues Leben entsprechend meinen Bedürfnissen zu erschaffen. Und wieder an anderen Tagen habe ich einfach nur Angst vor der Zukunft und davor mein Leben nicht auf die Reihe zu kriegen.

So darf ich meine Zeit in Teneriffa nutzen, um all diese Zweifel, Glaubenssätze und Ängste Raum zu geben. Dabei ist mir aufgefallen, dass es wie mit Unkraut ist. Wenn ich meine Themen nur an der Oberfläche bearbeite oder gar wegschiebe, taucht der Trigger einige Tage später wieder auf. Es geht für mich also darum, in die Tiefe zu gehen und das Thema an der Wurzel zu packen. Nur wenn ich in meine eigene Dunkelheit eintauche, kann ich einen weiteren Schritt in meinem Trauerprozess gehen. Ich darf lernen, meinen Emotionen offen zu begegnen und mir selbst den Raum zu halten, den ich brauche. Oft helfen mir dabei ziellose Spaziergänge, Yoga, Meditationen, Musik, Tanzen, freies Schreiben oder gute Gespräche. In meine eigene Dunkelheit abzutauchen ist meist anstrengend und oft schmerzhaft und doch liegt in diesem Prozess ein unglaublich grosses Heilungspotenzial. Denn je mehr Schattenarbeit ich mir erlaube, desto mehr Unkraut kann ich aus meinem Lebensgarten entfernen und desto mehr Raum bekommen die frischen Samen zum Wachsen, exakt jene Samen für mein neues Leben, welche ich in Schweden gesetzt habe und auch hier auf Teneriffa immer noch anpflanzen darf.

Lavafeld am Meer
Dschungel bei den Cuvas Negras
Aussicht vom Montana Roja

Und so bin ich auf meinem Weg mitten in meinem Transformationsprozess, der durch das Wechselspiel von Licht und Schatten genährt wird. Für mich war es wichtig, mir zuerst meine Lebensfreude zurückzuholen, da ich sie jetzt als Antriebskraft für die Schattenarbeit nutzen kann. Umgekehrt wirkt sich auch das Eintauchen in meine eigene Dunkelheit positiv auf die Lichtarbeit aus, weil ich so die wunderschönen Momente intensiver wahrnehmen kann und solche Erlebnisse darf ich auch auf Teneriffa immer wieder geniessen.

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