Trauer-Weg-Blog

Meine persönliche Reise zurück ins Leben

Neuanfang

Mein vertrautes Leben endet in wenigen Tagen. Klar, seit dem völlig unerwarteten Tod von Vadim ist nichts mehr, wie es einmal war. Und trotzdem haben mir die täglichen Routinen wie mein Job, die Erledigung des Haushalts oder das Treffen von Freunde die nötige Struktur gegeben, um mein Leben irgendwie weiterzuleben.
In den letzten Wochen wurde mir jedoch klar, dass ich meine Tage nicht einfach nur überleben, sondern in vollen Zügen geniessen will. Das Leben ist zu wertvoll, um nur irgendwie weiterzumachen.
Deshalb habe ich mich dazu entschieden, Vadims Tod als Chance zu sehen, aus meiner Komfortzone auszusteigen und einen kompletten Neustart zu wagen. Nun gilt es all meine liebgewonenen Routinen loszulassen, alle Lebensbereichen zurück auf Null zu setzen und ganz von vorne zu beginnen.

Egelsee mit Wolken

Gedanklich habe ich diesen Neuanfang schon tausend Mal durchgespielt. Gedanklich war es immer ganz einfach; Ich kündige meinen Job, ich löse meine Wohnung auf, ich steige in den Flieger nach Schweden und freue mich auf mein neues Abenteuer. All dies dann wirklich zu tun, ist jedoch etwas völlig anderes...

Natürlich freue ich mich riesig auf Schweden, wo ich für die nächsten beiden Monate als Gästebetreuerin auf einer Huskyfarm mithelfe. Natürlich kann ich es kaum erwarten, weit weg von der Zivilisation die Natur zu geniessen und den ganzen Tag von Hunden umgeben zu sein. Natürlich bin ich gespannt, wie es ist, wenn es in der Nacht nur für zwei oder drei Stunden dunkel wird. Natürlich finde ich es aufregend, dass mein lang gehegter Traum von einem längeren Auslandsaufenthalt in Skandinavien jetzt in Erfüllung geht.

Und gleichermassen ist dieser Flug nach Schweden der endgültige Schlussstrich unter mein altes Leben. Sobald ich in diesem Flugzeug sitze, gibt es kein Zurück mehr. Und mein System dreht gerade völlig durch. Es reagiert auf diese Veränderung mit Gedankenkarussellen, heftigen Verspannungen und Unwohlsein. Mein System versucht mit aller Macht, mich in meiner Komfortzone zu behalten, denn dieser Bereich ist ihm bekannt und dadurch scheinbar sicher. So bin ich momentan damit beschäftigt die Grenzen meiner Komfortzone bewusst Stück für Stück zu sprengen, die Vergangenheit loszulassen und Platz für Neues zu schaffen.

Ein Teil dieses Prozesses war die Auflösung meiner Wohnung. Dabei sind mir unzählige Dinge in die Hänge gefallen, die ich mit Vadim verbinde. Einige dieser Gegenstände habe ich auch von Vadim geerbt. Als es kurz nach seinem Tod darum ging, welche Erinnerungsstücke ich behalten möchte, habe ich bewusst nur wenige Gegenstände ausgesucht. Über diese Entscheidung bin ich heute sehr froh, denn es fällt mir schwer, Vadims Dinge loszulassen, egal ob ich sie brauchen kann oder nicht. Und so war das Kistenpacken nicht nur körperlich sondern auch emotional anstrengend, denn die Trauer hat mich wieder einmal eingeholt und überrollt. Trotzdem war dieser Prozess wichtig, weil er ein weiterer Schritt in der Trauerverarbeitung darstellt.

Ein weiterer Brocken ist die Sicherheit einer Festanstellung, denn in unserer Gesellschaft definieren sich viele Menschen über ihren Job. Bei mir war es genauso. Ich musste immer eine neue Weiterbildung oder ein neues berufliches Ziel vor Augen haben und meine Zukunft für die nächsten Jahre durchgeplant haben, um mich wertvoll zu fühlen. Zudem gab mir diese Planung ein Gefühl von Sicherheit. Doch wenn ich in allen Lebensbereichen einen Neustart will, gilt das auch für meinen Beruf. Folglich habe ich meinen Job nicht nur gekündigt, sondern mir auch noch keine neue Anstellung gesucht. Ich fliege für zwei Monaten nach Schweden und wie es nachher weitergeht, weiss ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Es fühlt sich unglaublich befreiend an, nicht immer alles durchgeplant zu haben und gleichzeitig fürchte ich mich vor der Leere und vermisse die Sicherheit, die mir eine Festanstellung geboten hatte.

Und so stehe ich an einem mega spannenden Punkt in meinem Leben. Ich lasse mein altes Leben endgültig hinter mir, weil es nicht mehr zu mir passt. Mein neues Leben liegt noch im Nebel verborgen. Ich kann es schon fühlen und doch macht mir die Ungewissheit ein bisschen Angst. Das Einzige was ich jetzt tun muss, ist SPRINGEN. Denn nur so finde ich heraus, dass ich meine Flügel ausbreiten und fliegen kann.

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